Seit 2023 schöpft ein Rad Wasser aus der Glatt. Nur dank dem Wasserschöpfrad ist es möglich, die traditionelle Wiesenwässerung im Hundig wiederaufzunehmen. Doch warum ist das so – früher ging es schliesslich auch ohne Rad? Um diese Frage zu beantworten, muss man in die Geschichte der Glatt eintauchen.
Warum braucht es ein Wasserschöpfrad
Wie schriftliche Quellen belegen, wurden die Wiesen im unteren Glatttal schon im 15. Jahrhundert mit Wasser aus dem Fluss bewässert. Spätestens seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts haben die Bauern das Glattwasser mit einfachen Stauvorrichtungen, den sogenannten Wuhren, aufgestaut. Das Wasser wurde auf diese Weise direkt aus der Glatt über Zulaufkanäle zu den flussabwärts gelegenen Wässerwiesen geleitet. Die Glatt machte den Bauern das Leben aber alles andere als leicht. Bis in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schlängelte sie sich über die gesamte Breite des Talbodens. Bei Hochwassern änderte sie manchmal gar ihren Lauf, wodurch sie Brücken, Wuhre und ganze Teile der Wässerwiesen zerstörte. Daher wurde die Glatt ab 1813 in verschiedenen Etappen «korrigiert», d.h. in einen begradigten Verlauf gebracht. Dadurch wurden Schäden durch Hochwasserereignisse seltener. Das katastrophale Jahrhunderthochwasser von 1968 setzte der ruhigeren Phase jedoch ein jähes Ende und führte zum Entscheid, die Glatt rund drei Meter tiefer zu legen. Damit war das direkte Ausleiten des Wassers aus der Glatt in die Kanäle nicht mehr möglich. Um die Wiesenwässerung wiederzubeleben, musste also eine andere Lösung gefunden werden – ein Wasserschöpfrad. Das Schöpfrad an der Glatt wurde in den Jahren 2022-23 erbaut. Wie der Bau genau ablief, zeigt diese Fotoreportage.
Wie funktioniert das Wasserschöpfrad?
Schöpfräder machen sich die Wasserkraft zu Nutzen. Der Fluss treibt das Rad an und liefert die Energie, die nötig ist, um das Wasser hochzuheben. Genügend Energie aus der Flusskraft zu generieren, ist aber gar nicht so einfach. Grundsätzlich gilt: Je schneller der Fluss, desto mehr Energie kann er liefern. In der Stahlrinne unter dem Rad wurde deshalb eine Vertiefung angelegt, die die Fliessgeschwindigkeit des Wassers erhöht. Zusätzlich wurde das Gefälle im Bereich des Rads erhöht, indem die Flussschwelle vor dem Rad angehoben und diejenige nach dem Rad abgesenkt wurde. So kann das Glattwasser nun von den Schöpfbehältern des Rades aufgenommen und in diesen entgegen der Gravitationskraft angehoben werden. Oben angelangt, fällt das Wasser aus den Behältern und läuft über ein schräges Ablaufblech in die Sammelrinne. Von dort wird es schliesslich über einen Kanal zu den Wässerwiesen geleitet.
So funktioniert das Wasserschöpfrad. (Grafik: Empa)
Wasserschöpfräder im Laufe der Zeit
Wasserschöpfräder haben eine lange Geschichte und wurden andernorts auch früher schon zur Bewässerung von Wiesen eingesetzt. Den Grundstein dafür legte das persische Wasserrad, die sogenannte Noria, die wohl bereits im 5. Jh. bekannt war. Mit der Noria war es erstmals möglich, Wasser aus tiefer liegenden Flüssen in höher liegende Bewässerungskanäle zu schöpfen. Die Technologie hielt ab dem Spätmittelalter auch in Bayern Einzug. So schöpften zeitenweise über 250 Räder Wasser aus den Flüssen Regnitz, Rednitz und Pegnitz, um die umliegenden Wiesen zu wässern. In der Schweiz waren Schöpfräder für die Wiesenwässerung aufgrund der hydrologischen Gegebenheiten nie nötig. Bei genügend Gefälle war es technisch einfacher, das Wasser weiter oben direkt aus dem Fluss zu leiten. Stattdessen kamen Schöpfräder aber für andere Zwecke zum Einsatz. Ein Beispiel ist das Wasserschöpfrad im Entlebuch, welches ab 1864 Wasser für eine Tuchfabrik schöpfte.